Meine Augen wirken wie kleine Kraterseen, die eine bläulich schimmernde Caldera umgibt. Ich sehe ziemlich fertig aus. Der Stress im Job, die nicht enden wollende Erkältung haben ihren Teil zu dem Anblick beigetragen, der mir gerade müde aus dem Spiegel entgegen blinzelt. Weshalb wollte ich noch mal nach Sizilien? Im Moment fällt mir nur eine Antwort ein: Erholung!
Draußen ist es noch Dunkel. Regen klopft gegen die Scheibe. Ich räume die Sachen zusammen, die mit ins Handgepäck sollen. Goethes Italienische Reise bleibt hier. Wer liest so etwas heute noch außerhalb von literaturwissenschaftlichen Seminaren? Na gut, gestern Abend habe ich etwas darin herumgeblättert, um mich einzustimmen.
Goethe traf Anfang April 1787 in Palermo ein. Es war der südlichste Punkt einer langen Flucht aus Weimar. Einer Flucht vor den alltäglichen Pflichten, vor dem gesellschaftlichen Druck, immer etwas Großes hervorzubringen: ein neues Theaterstück, einen neuen Roman, immer zu glänzen, zu unterhalten und dabei seine politischen Pflichten als Geheimrat zu erfüllen. Er war müde. Sizilien war das eigentliche Ziel seiner Reise nach Italien. Er sehnte sich beinahe mehr dorthin als nach Rom. Weiter weg von Weimar ging nicht. Übersetzen nach Afrika? Was sollte er da? Goethe suchte nicht das Fremde. Er suchte das Vertraute in der Fremde.
Heutzutage ist Sizilien nicht mehr weit weg. Zwei Stunden mit dem Flugzeug ab Frankfurt und man ist da. Man genießt die Sonne, das Meer, das gute Essen, besichtigt antike Ruinen. Man sammelt gerade genug fremde Eindrücke gegenüber dem kalten, regnerischen Aprilanfang, den entlaubten Bäumen und den blassen Gesichtern auf den hiesigen Straßen, um seine innere Ruhe bewahren zu können. Erholung halt. Oder ist Sizilien doch noch mehr?
Erholung wäre ja schön sehr nett, aber du wirst rausfinden, was es da sonst noch so gibt. Gute Reise!
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Danke 🙂 Vielleicht gelingt mir wirklich beides.
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